Tschiritsch – ein Orchester auf zwei Beinen

Seinen 70. Geburtstag hat der Komponist, Instrumentenerfinder und Musiker Hans Tschiritsch hinter sich. Was ihn nicht daran hindert, zwischen Dokumentation der geleisteten Arbeit und neuen Aktivitäten beweglich zu bleiben.


Hasn Tschiritsch mit Teufelsgeige (Photo © Robert Rutöd)


„Man muss irgendwas machen, sonst ist es fad“, ist einer von vielen bemerkenswerten Sätzen, die Hans Tschiritsch bei unserem Gespräch formuliert. Wir unterhalten uns im Vereinslokal des Kunstvereins Klangwerk in der Laudongasse 28. Als dessen aktiver Obmann engagiert er sich für eine lebendige Gegenwartskultur, wie es auf seiner überaus reichhaltigen Website (www.tschiritsch.com) zu lesen steht. Dort stößt der interessierte Mensch auf zahlreiche höchst interessante Spuren der vielfältigen Arbeit des 1954 in Wien geborenen Hans Tschiritsch: von seinen Anfängen als Gitarrist im Zeichen des Blues und der ebenso autodidaktischen Hinwendung zur Geige bis zu Stationen wie dem 1. Strengen Kammerorchester – unter anderem mit Otto Lechner – oder dem in den 1990ern gegründeten Ensemble „Tschiritschs Uhrwerk“. Die Arbeit als ausführender Instrumentenerfinder findet sich ebenso wie seine Nähe zum Theater mit Stationen wie dem Theater des Augenblicks oder die Beschäftigung am Burgtheater als Bühnenmusiker und Geräuschemacher. Seiner Diskografie wird wohl eher nichts mehr hinzugefügt werden – der Aufwand, etwas wirklich Gutes zu machen, ist heute kaum zu betreiben. 

Es entsteht das facettenreiche Bild eines – nicht nur – Ton-Künstlers, der seinen individuellen Weg gesucht und gefunden hat, nachdem er erkannte, dass er als konventioneller Instrumentalist an Grenzen stößt. Er selbst ist es, der das Wort „skurril“ in den Mund nimmt: eine Einschätzung, der nicht nur der Musikjournalist Samir Köck widerspricht, der sich von „verqueren 9/8-Rhythmen und luziden Improvisationen“ betört fühlte, während ein Radio-Journalist feststellte, dass Tschiritschs Instrumente immer auch etwas fürs Auge seien, „die Wehmuts-Walze, das Trompetuum mobile, der Klanghut“.

Wie im Gespräch mit der Musikerin Flora St. Loup in der vorigen Ausgabe fällt der Begriff „Auftragslage“, die für selbstständig agierende Künstler:innen wie ihn zum lähmenden Mühlstein wird: „Vielleicht bin ich unbescheiden, aber was ich mir nicht selber organisiere, passiert nicht.“ Den Raum in der Laudongasse, die Homebase seiner Arbeit, kann er sich durch günstige Bedingungen erhalten, was die künstlerische Existenz des Hans Tschiritsch erleichtert – eine Existenz, der das Arbeiten mit anderen und für andere wesentlich eingeschrieben ist. 

Am Tag nach unserem Interview findet ein Konzert statt: Musik, die Tschiritsch als „experimentell“ beschreibt – die eingelangten 5 Reservierungen dafür stimmen ihn bedingt froh. Seine nachvollziehbare und keinesfalls altersmilde Kritik an den kulturpolitischen (Un-)Verhältnissen – „es geht immer nur ums Geld“ – ist umso profunder, als der einstige Schulaussteiger, der sich im gegengesellschaftlichen Kontext der Hippie- und 60ies-Bewegungen verortet, dabei trotz allem fast unbeirrt weiterarbeitet.

Schon möchte der Begriff „Andere-Welt-Musik“ geschrieben werden, um sich diesem Tun respektvoll zu nähern – die Welt immer im reisenden Blick, nicht nur mit den „Nomaden des Seins“, die eine Kontinuität seiner Arbeit darstellen. Hans Tschiritsch beschreibt die Zeit als Straßenmusiker als eine seiner besten, sieht diese Auftritte – im öffentlichen Raum, ohne Eintritt, minimal ritualisiert – als eine der spannendsten, gültigsten Formen, Musik zu machen. Wenn er am 20. November (19 Uhr) mit Kolleg:innen wie der großartigen Jelena Popržan, der Akkordeon-Legende Otto Lechner, dem Gitarrenhaudegen Karl Ritter oder den Wladigeroff-Brüdern im Stiegenhaus des Amtshauses Josefstadt spielt, wird davon gewiss etwas zu spüren sein.

Rainer Krispel, derAchte - Ausgabe Nr. 6_11/12 2025